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[1464-036-R] Rechtsklärung betreffend Antragsprüfungen

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Beitrag von Admin 04.10.20 11:30

Rechtsklärung betreffend Antragsprüfungen - 1464-036-R


Das Reichskammergericht wurde damit beauftragt folgende Fragen zu klären:

1. Wenn der Staatsanwalt sich nicht auf das Opportunitätsprinzip beruft, es aber eindeutig beschreibt, gilt dann die Annahme, dass der Irrtum über den Rechtsgrundsatz keinen Schaden zum Nachteil einer der Parteien darstellt, sofern alle Parteien sich darüber klar sind (bei objektiver Realitätsbetrachtung), dass es sich um eine vereinfachende oder aber fehlerhafte Nennung handelt (zum Beispiel zur Herleitung oder Beschreibung des Opportunitätsprinzips die Verwendungder Worte "in dubio pro reo")?
2. Hat jede Staatsanwaltschaft, selbst wenn es nicht im Gesetzbuch steht "in dubio pro duriore" zu handeln? Wenn ja basierend auf welchem Rechtsgrundsatz?
3. Gilt bei solchen Verfahren am Reichskammergericht schon bei der Staatsanwaltschaft der Rechsgrundsatz: Audiatur et altera pars?
4. Wenn die Staatsanwaltschaft am Verhalten des Antragstellers eine Schadensabsicht gegen die angezeigte Person ableiten kann, kann sie das Verfahren in dem Fall ablehnen?


Das Reichskammergericht stellt fest:

1. Ja. Das Rechtsmittel oder Amtsprivileg muss nicht genau benannt werden, um von ihm Gebrauch zu machen. Es genügt, dass durch das Verfahren, das Verhalten und die Erklärung klar wird, dass das entsprechende Mittel genutzt wird.
2. Ja. Der Grundsatz besteht in der grundlegenden Aufgabenverteilung von Richtern und Staatsanwälten. Ist von Gesetz her nichts anderes angeordnet, müssen Staatsanwälte "in dubio pro duriore" handeln.
3. Der Grundsatz kann in der Antragsprüfung nur eingeschränkt angewendet werden.
4. Nein, eine Schadensabsicht des Antragstellers zu berücksichtigen ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sondern die des Richters im Prozess.


Begründung:

1. Die Justiz ist voll von Ausdrücken, die hin und wieder vergessen, falsch genutzt oder missverstanden werden. Um die Rechtssicherheit trotzdem zu wahren gilt der Grundsatz, dass eine falsche Bezeichnung nicht schadet. Gerade in der Antragsprüfung des Reichskammergerichtes wird der Grundsatz ständig angewendet, wenn Antragsteller eine Anzeige mit einer Klageerhebung verwechseln, eine Überprüfung eines Urteils beantragen oder eine falsche Antragsberechtigung genannt wird.

Auch die Justiz und andere Amtsträger sind nicht frei von Fehlern und können Fachausdrücke vergessen oder falsch benennen. Das schadet der Anwendung aber nicht, sofern das vorgeschriebene Verfahren gewahrt wird und die Erklärung und das Verhalten dafür stimmig sind. Ein verständiger Mensch muss unter Anwendung seines Verstandes erkennen können, dass das entsprechende Mittel genutzt wurde.

Das Reichskammergericht weist aber darauf hin, dass das verwendete Beispiel nicht funktioniert. Bei der Anwendung des Opportunitätsprinzips geht man von einer Straftat aus, für die ausreichend Beweise vorliegen um Klage zu erheben, die aber nicht gewichtig genug ist um sie zu verfolgen. Die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Grundlage für das Opportunitätsprinzip ist daher in doppelter Hinsicht falsch:

Erstens ist der Grundsatz "in dubio pro reo" grundsätzlich nicht von der Staatsanwaltschaft anzuwenden (Siehe Punkt 2), sie beschreibt zudem das Verhalten bei unzureichender Beweislage, worum es beim Opportunitätsprinzip aber nicht geht. Das Opportunitätsprinzip ist nur anwendbar, wenn eine ausreichende Beweislage für eine Klageerhebung vorliegt.


2. Die Aufgabenverteilung zwischen Richtern und Staatsanwälten ist seit jeher gleich: Die Staatsanwälte prüfen die Zulässigkeit einer Klage unter allen Gesichtspunkten. Ist eine Straftat wahrscheinlich, haben sie im Zuge ihrer Amtspflichten und im Rahmen der Gesetze Klage zu erheben, da sonst Staatsanwälte die Aufgaben der Richter erledigen, über die Schuld zu entscheiden. Die alleinige Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Klageerhebung darf nicht die Zuständigkeit der Richter unterlaufen, über die Straftat letztlich zu befinden.

Üblicherweise wird Staatsanwälten noch Ermessen zur Klageerhebung gegeben, manchmal direkt für alle möglichen Straftaten, manchmal in Form des Opportunitätsprinzips für geringfügige Straftaten. Das Ermessen hat aber nichts mit der Beweisfrage zu tun, wie oben schon erörtert. "In dubio pro duriore" ist nur auf die Beweislage anwendbar und nicht auf die Schwere von Straftaten.


3. "Audiatur et altera pars" ist eine Prozessvorschrift, die bei der Antragsprüfung nur sinngemäß angewendet werden kann. Das Reichskammergericht erkennt aus § 2 (2) RJG eine Abwägungspflicht zwischen Anhörung des Angezeigten im Zuge der Fairness und Gerechtigkeit, auf der anderen Seite aber die der Antragsprüfungsgeschwindigkeit, die durch § 5 (2) RJG auf 2 Wochen befristet ist. Deswegen liegt die Abwägung im Ermessen der Reichsstaatsanwaltschaft, die unter anderem den Sinn einer Anhörung für die Antragsprüfung und die Klageerhebung, die zu erwartende Dauer, die Erfolgsaussichten und die Beweislage der Tat berücksichtigen muss.


4. Die Strafe ist in ihrem Kerngedanken kein Ausgleich-, sondern ein Sanktionsgedanke. Man versucht durch Klageantrag nicht einen Ausgleich für den erlittenen Schaden zu erlangen, sondern primär eine Strafe für das gebrochene Gesetz. In soweit ist eine Schadensabsicht in jedem Klageantrag enthalten und kann damit nicht berücksichtigt werden, vor allem nicht bei der Klageerhebung. Die Gesamtabwägung nach Interessenlage und Straftat ist nicht Aufgabe des Staatsanwaltes, sondern des Richters.


Die Rechtsklärung wurde einstimmig von den Reichsrichtern Kaylis von Wettin, Xbeta von Abenberg, Garniel und dem Obersten Richter Phenomtaker von Wanyan beschlossen.




PhenomTaker von Wanyan
Stuttgart, den 12.09.1464

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